Toolauswahl für das Anforderungsmanagement: Der Prozess gibt den Takt vor!
Hennigsdorf, Februar 2022, Dr. Andreas Edler
Die Auswahl eines geeigneten IT-Tools für den Unternehmenseinsatz sollte nicht auf die leichte Schulter genommen oder komplett an die IT-Abteilung delegiert werden. Das gilt für prozessunterstützende Tools, wie etwa beim Anforderungsmanagement, noch mehr als für Autorensysteme.
Gemessen an den immensen Folgekosten, die ein suboptimales Tool mit sich bringt, wird der Prozess der Toolauswahl leider zu häufig eher stiefmütterlich betrieben. Die Kostentreiber sind vielfältig, wobei die initialen Anpassungs- und Integrationsaufwände hier noch den geringsten Anteil haben. Richtig teuer wird es immer dann, wenn ein IT-System von den Anwendern nicht akzeptiert wird, weil es ihren Prozess nicht gut unterstützt oder nicht intuitiv angewendet werden kann. Dann bedienen sie sich anderer Tools oder das seit langem abgekündigte Altsystem wird über Jahre noch parallel betrieben.
In vielen Unternehmen, ganz unabhängig von der Unternehmensgröße, versteht man unter einer systematischen IT-Systemauswahl leider noch immer folgendes:
- Bewertung des Funktionsumfangs (die von den Fachbereichen benannten funktionalen Anforderungen werden mit den Featurelisten marktgängiger Tools verglichen)
- Grobe Analyse der Integrationsmöglichkeiten in die Unternehmens-IT (es wird geprüft, ob Schnittstellen zu bereits genutzten Systemen existieren und ob Import- und Exportmöglichkeiten zur Verfügung stehen)
- Kostenbewertung auf Basis der Lizenzmodelle der Systemanbieter
- grobe Abschätzung der Kosten für die Systemanpassung und den Betrieb
Um nicht jahrelang unter den mitunter kostenintensiven Folgen eines ungeeigneten Tools für das Anforderungsmanagement zu leiden, müssen bei der Systemauswahl die zu unterstützenden Prozesse in den Vordergrund treten. Diese stellen die Grundlage für die relevanten funktionalen Toolanforderungen dar. Außerdem sollte man prüfen, ob mit der Systemeinführung nicht auch Prozessverbesserungen einhergehen könnten. Unbedingt müssen die tatsächlichen Anwender des Systems oder zumindest repräsentative Vertreter in den Auswahlprozess mit eingebunden werden. Die Akzeptanz eines Tools hängt schließlich nicht zuletzt auch davon ab, wie die Funktionalität und Usability von den Anwendern bewertet wird. Bei der Kostenbetrachtung müssen die gesamten Kosten für Anschaffung und Betrieb berücksichtigt werden, die sogenannten Total Cost of Ownership (TCO). Hierzu gehören neben den Lizenz-, Betriebs- und Wartungskosten auch die Kosten der Systemanpassung und -einführung inklusive Schulungen und eventuell erforderlicher Migrationen.
In zahlreichen durchgeführten Auswahlprojekten hat sich folgendes Vorgehen etabliert:
- Analysephase (Stakeholder Analyse, Ist-Prozess für das Anforderungsmanagement, Organisation, Beispiele für Anforderungsdokumente)
- Erstellung des Soll-Prozesses gemeinsam mit den Fachbereichen
- Ableitung funktionaler und nicht-funktionaler Anforderungen an das Anforderungsmanagement-Tool
- Erstellung eines groben Lastenheftes, u. a. für die Anfrage von Toolanbietern
- Systemvorauswahl (Reduzierung der Anzahl geeigneter Anbieter auf etwa drei)
- Systemvorstellung der vorausgewählten Tools (hier müssen den Anwendern ausgewählte Anwendungsfälle der Fachbereiche mit entsprechenden Beispieldaten von den Anbietern im System gezeigt werden)
- Interne Bewertung der Tools und Erstellung einer Rangliste aus Anwendersicht
- Einholen von Angeboten der Anbieter (Lizenzen, Anpassungskosten …)
- Verhandlung des Angebots/der Angebote und finale Anbieter- und Toolauswahl
In der folgenden Abbildung ist ein beispielhafter Phasenplan von der Auswahlvorbereitung bis zur Angebotsverhandlung dargestellt.
Auch das nach der Auswahl folgende Einführungsprojekt muss systematisch und professionell durchgeführt werden. Aspekte wie Anwenderschulungen und Change Management sollten dabei nicht vernachlässigt werden.
Insbesondere in mittelständischen Unternehmen fehlen oft die Kapazität und die methodische Expertise für die Durchführung einer Toolauswahl nach dem empfohlenen Muster. In diesem Fall empfiehlt es sich, einen anbieterunabhängigen Experten zu Rate zu ziehen, der die Systemlandschaft im Anforderungsmanagement gut kennt und Systemauswahlprozesse aus einer neutralen Position heraus begleiten und moderieren kann.
Wir begleiten Sie gerne in dem Prozess der Toolauswahl und im Einführungsprojekt für das Anforderungsmanagement und stehen Ihnen mit unserer Expertise und langjährigen Erfahrung in dieser Domäne zur Seite.